Japanischer Physiker glaubt, das Rätsel der Dunklen Materie gelöst zu haben

Seit nahezu einem Jahrhundert stehen Forscher vor der Herausforderung zu ergründen, aus was Dunkle Materie eigentlich besteht. Ein japanischer Physiker hat nun möglicherweise einen Nachweis für diese mysteriöse Materie in den Messdaten des Weltraums gefunden. Während seine Kollegen vorsichtig bleiben, ist das Interesse an seinen Erkenntnissen jedoch groß.

Ungefähr 85 Prozent der Materie im Universum ist von dunkler Natur: Sie bleibt unsichtbar, da sie nur durch ihre Schwerkraft nachweisbar ist und im Gegensatz zu normaler Materie keine Strahlung abgibt. Eine Ausnahme bildet die Kollisionsreaktion der Dunklen Materie, bei der Partikel sich gegenseitig vernichten und dadurch energiereiche Gammastrahlung freisetzen.

Tomonori Totani, ein Astrophysiker an der Universität Tokio, hat einen Überschuss an Gammastrahlung im Halo der Milchstraße entdeckt, der mit den theoretischen Vorhersagen dieser sogenannten Annihilationsstrahlung in Einklang steht. Er postuliert, dass die Dunkle Materie Teilchen mit etwa der 500-fachen Masse von Protonen umfasst, was er in der Fachzeitschrift „Journal of Cosmology and Astroparticle Physics“ veröffentlichte.

„Es wäre das erste Mal, dass wir die Dunkle Materie tatsächlich sehen könnten“, erklärt Totani. „Und dies würde zeigen, dass die Dunkle Materie aus Teilchen besteht, die im Standardmodell der Physik nicht berücksichtigt sind.“ Dieses Modell beschreibt alle bekannten Elementarteilchen und deren Wechselwirkungen, jedoch wird die Schwerkraft, die im Universum eine wesentliche Rolle spielt, nicht darin berücksichtigt. Bemühungen, die Schwerkraft zu integrieren, führen oft zur Hypothese zusätzlicher Teilchen, die weltweit an großen Beschleunigeranlagen gesucht werden – bisher jedoch ohne Durchbruch.

Ein ungelöstes Rätsel in der Astronomie?

Die Entdeckung bisher unbekannter Teilchen könnte ein lange bestehendes Rätsel der Astronomie, die Dunkle Materie, möglicherweise lösen. Bereits in den 1930er Jahren stellte der Schweizer Astronom Fritz Zwicky bei der Untersuchung des Coma-Galaxienhaufens ein ungewöhnliches Phänomen fest: Die Galaxien schienen sich zu schnell zu bewegen. Er schloss daraus, dass die Schwerkraft der sichtbaren Materie nicht ausreicht, um die Galaxien bei solch hohen Geschwindigkeiten zusammenzuhalten – der Haufen sollte sich eigentlich auflösen. Doch dafür gab es keinerlei Anzeichen.

Zwicky schloss, dass eine beträchtliche Menge an unsichtbarer Materie diesen Effekt hervorrufen müsse. Dies führte zur Prägung des Begriffs „Dunkle Materie“, wobei anfangs ausgebrannte Sterne oder nicht leuchtende Gaswolken als mögliche Kandidaten diskutiert wurden. Intensivere Forschung über Jahrzehnte zeigte jedoch, dass es sich hierbei nicht um normale Materie handeln kann. Auch die Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung bestätigten schließlich, dass 85 Prozent der Materie im Universum aus bisher unbekannten Teilchen bestehen muss.

Unter Experten werden zahlreiche Kandidaten mit unterschiedlichen Eigenschaften erörtert, insbesondere die sogenannten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles), die für Physiker von besonderem Interesse sind. Diese Teilchen haben die bemerkenswerte Eigenschaft, dass sie sich gegenseitig vernichten, wodurch Strahlung freigesetzt wird. Mehrere Projekte haben nach dieser hochenergetischen Gammastrahlung geforscht, und vor fünfzehn Jahren schien es, als hätten Wissenschaftler tatsächlich einen Durchbruch erzielt.

Beobachtungen des 2008 gestarteten Gammasatelliten Fermi erbrachten Strahlung aus dem Zentrum der Milchstraße, die zunächst als Annihilationsstrahlung Dunkler Materie interpretiert wurde. Der anfängliche Jubel war jedoch verfrüht, da die Forschung bald zeigte, dass sich diese Strahlung auch durch Neutronensterne erklären lässt, von denen vermutlich viele im galaktischen Zentrum existieren.

Infolge dieser Erkenntnis hat Totani seine Suche auf Regionen des Himmels fokussiert, wo nur wenige Neutronensterne erwartbar sind. Er verwendete die seit 15 Jahren gesammelten Daten des Wide-Field-Teleskops LAT von Fermi, um die Gammastrahlung aus dem Halo der Milchstraße zu analysieren, fernab sowohl vom Zentrum als auch von der sternenreichen Scheibe der Galaxie.

Der Nachweis von Dunkler Materie

Totani modellierte akribisch alle bekannten Quellen hochenergetischer Strahlung, subtrahierte diese von der gemessenen Strahlung und entdeckte dabei einen kleinen, jedoch signifikanten Überschuss. Dieser Gamma-Überschuss zeigt eine Energieverteilung von zwei bis 200 Giga-Elektronenvolt, mit einem klaren Maximum bei 20 Giga-Elektronenvolt. Eine solche Verteilung ist sehr plausibel für die gegenseitige Vernichtung von WIMPs, die 500-mal schwerer sind als Protonen, welche die elektrisch geladenen Bausteine von Atomkernen darstellen.

Kann man also in dieser Situation mit Sicherheit behaupten, tatsächlich Dunkle Materie nachgewiesen zu haben? Totani hat seine Ergebnisse bereits vor der Veröffentlichung auf mehreren Konferenzen präsentiert. Da er als theoretischer Kosmologe und Praktiker in der Datenanalyse einen hervorragenden Ruf genießt, stießen seine Ergebnisse auf reges Interesse. Dennoch bleibt die Fachwelt vorsichtig, zumal in der Vergangenheit beim galaktischen Zentrum bereits voreilig gejubelt wurde. Totani selbst spricht vorsichtig von einem „möglichen“ Nachweis der Dunklen Materie.

Es wird nun erforderlich sein, dass andere Forschungsgruppen seine Ergebnisse unabhängig verifizieren. Selbst wenn sich der Gamma-Überschuss bestätigt, besteht die Möglichkeit, dass unentdeckte astrophysikalische Phänomene für die Strahlung verantwortlich sind. Totani betont: „Ein Signal aus dem Halo für sich allein ist noch kein eindeutiger Beweis für Dunkle Materie.“

Er empfiehlt daher, insbesondere in Zwerggalaxien nach dieser Gammastrahlung zu suchen. Aufgrund der dort herrschenden völlig anderen Bedingungen wäre der Nachweis derselben Art von Gammastrahlung ein entscheidender Hinweis darauf, dass sie tatsächlich von Teilchen der Dunklen Materie stammt.

Philip Wienberg
Philip Wienberg

Co-founded Germany's first alcohol-free craft beer brand in 2018. Now a freelance Copywriter & Creative Director with 15+ years in top German ad agencies. Led teams of 30+ creatives, winning 100+ awards together - some even for real work, not just the award circuit.

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