Zwielichtige Verstrickungen hinter zurückgezogener Katastrophenprognose

Eine dramatische Klimavorhersage des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sorgte weltweit für Aufsehen und hatte weitreichende Auswirkungen auf Politik und Finanzsektor. Jetzt muss die Studie zurückgezogen werden, was ein fragwürdiges Netzwerk offenbart.

Rückzug der Klimastudie

Im April 2024 veröffentlichte das angesehene Wissenschaftsmagazin „Nature“ eine Studie des PIK, die Schlagzeilen machte. Die Autoren, darunter Anders Levermann, warnten, dass selbst bei sofortigem Rückgang der CO₂-Emissionen die Weltwirtschaft bis 2050 aufgrund des bereits verursachten Klimawandels um 19 Prozent einbrechen könnte. Zeitungen wie die „Tagesschau“ und der „Spiegel“ berichteten umfassend über die Studie.

Reaktionen und Rücknahme der Studie

Die Veröffentlichung erregte erhebliche Aufmerksamkeit in der politischen und finanziellen Gemeinschaft und machte die Studie zur am zweithäufigsten zitierten Klimaforschung im Jahr 2024. Nach erbitterten Protesten aus der Wissenschaft wurde die Studie jedoch wegen gravierender Mängel zurückgezogen.

„Nature“ hatte die Studie trotz Warnungen von begutachtenden Forschern veröffentlicht und ignorierte monatelange Kritiken. Internationale Institutionen, wie die OECD und die Weltbank, sowie die US-Regierung verwendeten die Zahlen der Studie als Orientierungshilfe für ihre Politiken. Sogar das „Network for Greening the Financial System“ (NGFS), eine Gruppe von Zentralbanken, integrierte die Ergebnisse in seine Klimarisikoszenarien.

Wissenschaftliche Bedenken

Die Politikforscherin Jessica Weinkle von der University of North Carolina-Wilmington äußerte „schwerwiegende Interessenkonflikte“, da das PIK mit dem NGFS über die einflussreiche Klimaschutz-Stiftung „Climate Works“ verflochten ist, die sowohl das PIK als auch den NGFS finanziell unterstützt.

Bereits vor der Veröffentlichung wiesen alle vier begutachtenden Wissenschaftler erhebliche Mängel in der Studie auf. Ein Gutachter stellte fest, dass die statistische Methodik der Forschung „keinerlei wissenschaftliche Grundlage“ habe. Ein anderer Gutachter äußerte große Bedenken hinsichtlich der Unsicherheit des empirischen Modells.

Reaktionen nach der Veröffentlichung

Nach der Veröffentlichung der Studie folgten zahlreiche Proteste. Gregory Hopper vom Bank Policy Institute und andere Wissenschaftler wandten sich an die Redakteure von „Nature“, doch die Kritiken wurden ignoriert. Der Ökonom Richard Rosen vom Tellus Institute bezeichnete die PIK-Studie im September 2024 als „wissenschaftlich völlig ungültig“.

Erst am 6. November 2024 warnte „Nature“, dass die „Zuverlässigkeit der Daten und Methoden“ angezweifelt werde. Im August 2025 reichten die PIK-Autoren eine korrigierte Fassung ein, die jedoch als „Pre-Print“ ohne Begutachtung veröffentlicht wurde. Diese Änderungen konnten die Studie jedoch nicht retten, da die identifizierten Probleme „zu erheblich für eine Korrektur“ waren.

Neue Analyse der PIK-Forscher

Levermann und seine Kollegen streben eine neue Begutachtung an. Sie betonen, dass das zu erwartende wirtschaftliche Ergebnis bis 2050 immer noch bei rund 17 Prozent Verlust liegt, jedoch die Unsicherheiten größer sind als in der ursprünglichen Studie. Die grundsätzliche Methodik, die auf historischen Klimaveränderungen und wirtschaftlichem Wachstum basiert, bleibt unverändert.

Medienberichterstattung über die Studie

Trotz der Korrekturen der PIK-Forscher bleiben viele Probleme ungelöst. Kritiker haben bemerkt, dass die Autoren beim neuen Modell Parameter möglicherweise angepasst haben, um gewünschte Ergebnisse zu erhalten. Auch die Antworten auf die Bedenken wurden nicht ausreichend klargestellt.

Die Nachrichtenagentur AP und andere Medien nahmen die korrigierte Arbeit bereits mit dem Hinweis auf, dass der „Kern der Aussage“ gleichbleibe, was die ursprüngliche PIK-Pressemitteilung widerspiegelt. Die Medien berichten jedoch nicht über die Fehler, die zur Rücknahme der Studie führten.

Frage der Vertrauenswürdigkeit

Die Verbindungen des PIK zum NGFS wurden nicht ausreichend thematisiert. Das NGFS hat sich zudem nicht transparent über den Umgang mit der zurückgezogenen Studie geäußert, was Fragen zu den Klimaberechnungen von Finanzinstituten aufwirft.

Interessenkonflikte im Finanzsektor

Ben Caldecott, Direktor der Oxford Sustainable Finance Group, äußerte Bedenken gegenüber einem möglichen Einfluss von Finanzinstituten auf akademische Forschung. Die NGFS orientiert sich am Konzept der „Planetaren Grenzen“, einer kontroversen Theorie, die von PIK-Chef Johan Rockström vorgestellt wurde.

Weinkle erklärt, dass die Theorie „Deindustrialisierung als ökologische Rettung“ propagiert. Das PIK fordert, dass wirtschaftliche Aktivität eingedämmt wird, um eine angebliche Überlastung der Erde durch die Menschheit zu vermeiden.

Künftige Perspektiven

Das PIK strebt durch seinen Einfluss auf die Klimapolitik eine Transformation wirtschaftlicher Rahmenbedingungen an, die mit dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit einhergeht. Ihre zurückgezogene Studie könnte letztendlich in ihrem Sinne verlängert werden, indem sie eine Warnung vor wirtschaftlichem Rückgang umfasst.

Die zentrale Frage bleibt: Ist die Klimaforschung des PIK vertrauenswürdig, insbesondere angesichts der Kontroversen über die Methodologie? Der Diskurs über Klimarisiken und deren wirtschaftliche Auswirkungen wird durch diese Debatte entscheidend beeinflusst.

Philip Wienberg
Philip Wienberg

Co-founded Germany's first alcohol-free craft beer brand in 2018. Now a freelance Copywriter & Creative Director with 15+ years in top German ad agencies. Led teams of 30+ creatives, winning 100+ awards together - some even for real work, not just the award circuit.

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